Kettenstrafanstalt: Unterschied zwischen den Versionen
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== Geschichte == | == Geschichte == | ||
Das Gebäude wurde am Standort der ehemaligen Stadtmauer, welche Stadt und [[Kalkberg]] voneinander trennten, errichtet. Ältere Abbildungen zeigen noch den Graben und die sechs Türme sowie das Tor, welche mit dem Bau der [[Kalkbergfestung]] im 17. Jahrhundert verschwanden.<ref name=„Zeitsprung_Lüneburg_App“> Zeitsprung Lüneburg App: Kartenansicht (mehr Informationen zum Download auf der [https://zeitsprung-lueneburg.de/index.php| Zeitsprung Lüneburg Website]). o. D., zuletzt abgerufen am 20.08.2021.</ref> | Das Gebäude wurde am Standort der ehemaligen Stadtmauer, welche Stadt und [[Kalkberg]] voneinander trennten, errichtet. Ältere Abbildungen zeigen noch den Graben und die sechs Türme sowie das Tor, welche mit dem Bau der [[Kalkbergfestung]] im 17. Jahrhundert verschwanden.<ref name=„Zeitsprung_Lüneburg_App“> Zeitsprung Lüneburg App: Kartenansicht (mehr Informationen zum Download auf der [https://zeitsprung-lueneburg.de/index.php| Zeitsprung Lüneburg Website]). o. D., zuletzt abgerufen am 20.08.2021.</ref> | ||
Circa 200 Jahre später, zwischen 1837 und 1841, wurde das seit Langem bestehende Stockhaus, welches auch Karrenanstalt (Anstalt für Schwerverbrecher) genannt wurde, abgerissen | Circa 200 Jahre später, zwischen 1837 und 1841, wurde das seit Langem bestehende Stockhaus, welches auch Karrenanstalt (Anstalt für Schwerverbrecher) genannt wurde, abgerissen. Am selben Standort wurde darauffolgend die Kettenstrafanstalt erbaut, deren Insassen im Zuge der Förderung des kostbaren Baustoffs Gips am [[Kalkberg]] gezwungen wurden, dort im Bruch zu arbeiten. Die Kanone, welche heutzutage noch dort zu sehen ist, ist eine von zweien, die beim Fluchtversuch von Häftlingen als Alarmsignal abgeschossen wurde. Neben der Arbeit am [[Kalkberg]] wurde auch in der benachbarten Kalkfabrik gearbeitet. Meistens geschah dies von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Die einzige Ausnahme stellten Wetterverhältnisse wie Nebel dar, welche die Fluchtgefahr erhöhten. Unter diesen Umständen wurden andere Arbeiten wie Flechten innerhalb der Kettenstrafanstalt verrichtet.<ref name=„Lust_auf_Lüneburg_Kettenstrafanstalt“> Pfeifer, Edith in Lust auf Lüneburg: [https://www.lustauflueneburg.de/kettenstrafanstalt/#gsc.tab=0| Kettenstrafanstalt]. o. D., zuletzt abgerufen am 20.08.2021.</ref> | ||
Ursprünglich wurde nur das Gebäude ''Beim Benedikt 10'' errichtet, welches allerdings im Jahr 1877 um den Zellenflügel ''Beim Benedikt 11/11a'' erweitert wurde.<ref name=„Landeszeitung_Kettenstrafanstalt“> Landeszeitung: [https://www.landeszeitung.de/lueneburg/25656-herberge-2/| Eine Herberge für viele Menschen]. o. D., zuletzt abgerufen am 20.08.2021.</ref> | Ursprünglich wurde nur das Gebäude ''Beim Benedikt 10'' errichtet, welches allerdings im Jahr 1877 um den Zellenflügel ''Beim Benedikt 11/11a'' erweitert wurde.<ref name=„Landeszeitung_Kettenstrafanstalt“> Landeszeitung: [https://www.landeszeitung.de/lueneburg/25656-herberge-2/| Eine Herberge für viele Menschen]. o. D., zuletzt abgerufen am 20.08.2021.</ref> | ||
Für damalige Gefängnisverhältnisse galt dieses als fortschrittlich, da es bereits über Einzelzellen verfügte. Dennoch beschreibt die Norddeutsche Zeitung, damals ein Organ der Kommunistischen Partei, das Gefängnis im Jahr 1925 wie folgt: „Die Männer leben in | Für damalige Gefängnisverhältnisse galt dieses als fortschrittlich, da es bereits über Einzelzellen verfügte. Dennoch beschreibt die ''Norddeutsche Zeitung'', damals ein Organ der Kommunistischen Partei, das Gefängnis im Jahr 1925 wie folgt: „Die Männer leben in 'Schachteln' – 2,50 Meter lang, 1,50 Meter breit und 1,85 Meter hoch. Darin ein an der Wand befestigtes Bett, ein Klapptisch nebst Bank, ein Brett für einen Essnapf.“ Dies geschah, um auf einen „Genossen“ aufmerksam zu machen, welcher aufgrund von „Vorbereitung zum Hochverrat“ dort eingesperrt wurde.<ref name=„Landeszeitung_Kettenstrafanstalt“></ref> | ||
Als dann im Jahre 1878 die oberste Bergkuppe des [[Kalkberg|Kalkbergs]] vor weiterem Abbau geschützt und der gesamte Berg samt Gipsbruch 1932 zum Naturschutzgebiet und Naturdenkmal erklärt wurde, mussten die Häftlinge nach Celle gebracht werden.<ref name=„Lüneburger_Heide_Kalkberg“> Lüneburger Heide GmbH: [https://www.lueneburger-heide.de/stadt/sehenswuerdigkeit/85/lueneburg-kalkberg.html#:~:text=Im%20Jahre%201878%20wurde%20die,Berg%20zum%20Naturschutzgebiet%20und%20Naturdenkmal.| Lüneburg: Kalkberg]. o. D., zuletzt abgerufen am 20.08.2021.</ref><ref name=„Landeszeitung_Kettenstrafanstalt“></ref> | Als dann im Jahre 1878 die oberste Bergkuppe des [[Kalkberg|Kalkbergs]] vor weiterem Abbau geschützt und der gesamte Berg samt Gipsbruch 1932 zum Naturschutzgebiet und Naturdenkmal erklärt wurde, mussten die Häftlinge nach Celle gebracht werden.<ref name=„Lüneburger_Heide_Kalkberg“> Lüneburger Heide GmbH: [https://www.lueneburger-heide.de/stadt/sehenswuerdigkeit/85/lueneburg-kalkberg.html#:~:text=Im%20Jahre%201878%20wurde%20die,Berg%20zum%20Naturschutzgebiet%20und%20Naturdenkmal.| Lüneburg: Kalkberg]. o. D., zuletzt abgerufen am 20.08.2021.</ref><ref name=„Landeszeitung_Kettenstrafanstalt“></ref> | ||
Im Vorläufer der Landeszeitung, den Lüneburgschen Anzeigen, schrieb Ulrich Werther im Juli 1931 unter dem Titel „Vom Zuchthaus zur Jugendherberge“ von der Einweihung des Hauses als „Großjugendherberge“. Die 130 Betten sollten dabei für jugendliche Reisende umfunktioniert werden. Werther sprach damals von einer symbolhaften Bedeutung für den „Wiederaufstieg [des] Vaterlandes“.<ref name=„Landeszeitung_Kettenstrafanstalt“></ref> | Im Vorläufer der ''Landeszeitung'', den ''Lüneburgschen Anzeigen'', schrieb Ulrich Werther im Juli 1931 unter dem Titel „Vom Zuchthaus zur Jugendherberge“ von der Einweihung des Hauses als „Großjugendherberge“. Die 130 Betten sollten dabei für jugendliche Reisende umfunktioniert werden. Werther sprach damals von einer symbolhaften Bedeutung für den „Wiederaufstieg [des] Vaterlandes“.<ref name=„Landeszeitung_Kettenstrafanstalt“></ref> | ||
Dieser Wiederaufstieg endete letzten Endes in dem Terror des Zweiten Weltkriegs. Die Nationalsozialisten nutzten die Herberge als Lager für Zwangsarbeiter, damals auch „Ostarbeiter“ genannt, welche in sogenannten „kriegswichtigen Betrieben“ arbeiten mussten. | Dieser Wiederaufstieg endete letzten Endes in dem Terror des Zweiten Weltkriegs. Die Nationalsozialisten nutzten die Herberge als Lager für Zwangsarbeiter, damals auch „Ostarbeiter“ genannt, welche in sogenannten „kriegswichtigen Betrieben“ arbeiten mussten. | ||
Nach dem Ende des Krieges im Mai 1945 wurde die Herberge als | Nach dem Ende des Krieges im Mai 1945 wurde die Herberge als Heim für Geflüchtete genutzt. Zwischen 1949 und den 1970er-Jahren werden insgesamt 40 Familien mit Fluchthintergrund genannt, die dort wohnten. Erst der Bau von [[Kaltenmoor]] entspannte die Wohnungslage, welche die Geflüchteten veranlasste, die Herberge zu verlassen. 1958 wurde am [[Bockelsberg]] eine neue [[Jugendherberge]] errichtet.<ref name=„Landeszeitung_Kettenstrafanstalt“></ref> | ||
== Heutige Verwendung == | == Heutige Verwendung == |
Version vom 12. September 2021, 19:50 Uhr
Im Jahre 1837 wurde auf der ehemaligen Grenze der Hansestadt Lüneburg das Gebäude am Beim Benedikt 10 errichtet. Dieses erfüllte seitdem verschiedenste Funktionen: Intendiert als Kettenstrafanstalt entwickelte sich das Gebäude vom „Zuchthaus“ zu einem Heim für Kriegsgeflüchtete in den 1940er-Jahren und schließlich zur Jugendherberge und Hilfsorganisation für Wohnungslose.
Geschichte
Das Gebäude wurde am Standort der ehemaligen Stadtmauer, welche Stadt und Kalkberg voneinander trennten, errichtet. Ältere Abbildungen zeigen noch den Graben und die sechs Türme sowie das Tor, welche mit dem Bau der Kalkbergfestung im 17. Jahrhundert verschwanden.[1]
Circa 200 Jahre später, zwischen 1837 und 1841, wurde das seit Langem bestehende Stockhaus, welches auch Karrenanstalt (Anstalt für Schwerverbrecher) genannt wurde, abgerissen. Am selben Standort wurde darauffolgend die Kettenstrafanstalt erbaut, deren Insassen im Zuge der Förderung des kostbaren Baustoffs Gips am Kalkberg gezwungen wurden, dort im Bruch zu arbeiten. Die Kanone, welche heutzutage noch dort zu sehen ist, ist eine von zweien, die beim Fluchtversuch von Häftlingen als Alarmsignal abgeschossen wurde. Neben der Arbeit am Kalkberg wurde auch in der benachbarten Kalkfabrik gearbeitet. Meistens geschah dies von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Die einzige Ausnahme stellten Wetterverhältnisse wie Nebel dar, welche die Fluchtgefahr erhöhten. Unter diesen Umständen wurden andere Arbeiten wie Flechten innerhalb der Kettenstrafanstalt verrichtet.[2]
Ursprünglich wurde nur das Gebäude Beim Benedikt 10 errichtet, welches allerdings im Jahr 1877 um den Zellenflügel Beim Benedikt 11/11a erweitert wurde.[3]
Für damalige Gefängnisverhältnisse galt dieses als fortschrittlich, da es bereits über Einzelzellen verfügte. Dennoch beschreibt die Norddeutsche Zeitung, damals ein Organ der Kommunistischen Partei, das Gefängnis im Jahr 1925 wie folgt: „Die Männer leben in 'Schachteln' – 2,50 Meter lang, 1,50 Meter breit und 1,85 Meter hoch. Darin ein an der Wand befestigtes Bett, ein Klapptisch nebst Bank, ein Brett für einen Essnapf.“ Dies geschah, um auf einen „Genossen“ aufmerksam zu machen, welcher aufgrund von „Vorbereitung zum Hochverrat“ dort eingesperrt wurde.[3]
Als dann im Jahre 1878 die oberste Bergkuppe des Kalkbergs vor weiterem Abbau geschützt und der gesamte Berg samt Gipsbruch 1932 zum Naturschutzgebiet und Naturdenkmal erklärt wurde, mussten die Häftlinge nach Celle gebracht werden.[4][3]
Im Vorläufer der Landeszeitung, den Lüneburgschen Anzeigen, schrieb Ulrich Werther im Juli 1931 unter dem Titel „Vom Zuchthaus zur Jugendherberge“ von der Einweihung des Hauses als „Großjugendherberge“. Die 130 Betten sollten dabei für jugendliche Reisende umfunktioniert werden. Werther sprach damals von einer symbolhaften Bedeutung für den „Wiederaufstieg [des] Vaterlandes“.[3] Dieser Wiederaufstieg endete letzten Endes in dem Terror des Zweiten Weltkriegs. Die Nationalsozialisten nutzten die Herberge als Lager für Zwangsarbeiter, damals auch „Ostarbeiter“ genannt, welche in sogenannten „kriegswichtigen Betrieben“ arbeiten mussten.
Nach dem Ende des Krieges im Mai 1945 wurde die Herberge als Heim für Geflüchtete genutzt. Zwischen 1949 und den 1970er-Jahren werden insgesamt 40 Familien mit Fluchthintergrund genannt, die dort wohnten. Erst der Bau von Kaltenmoor entspannte die Wohnungslage, welche die Geflüchteten veranlasste, die Herberge zu verlassen. 1958 wurde am Bockelsberg eine neue Jugendherberge errichtet.[3]
Heutige Verwendung
Unterkunft - Herberge Plus
Seit 1968 wird vom Lebensraum Diakonie e. V. (damals: Herbergsverein Lüneburg e. V.) im ehemaligen Zellenflügel ein Obdachlosenheim mit dem Namen Unterkunft - Herberge Plus betrieben. Bis heute stellt das Gebäude ein anschauliches Beispiel eines Gefängnisbaus des 19. Jahrhunderts und ein wichtiges sozial-, bau- und stadtgeschichtliches Zeugnis dar. Einschließlich der Umfriedungsmauer wurde es daher unter Denkmalschutz gestellt.[5]
Neue Arbeit Lüneburg gGmbH
Des Weiteren hat die Tochtergesellschaft des Lebensraum Diakonie e. V., Neue Arbeit Lüneburg gGmbH, ihren Sitz in dem Gebäude. Diese bietet verschiedene Projekte und Maßnahmen der Berufshilfe an. Dies inkludiert Beratung, Qualifikation und die Vorbereitung auf ein bevorstehendes Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis.[6]
Einzelnachweise
- ↑ Zeitsprung Lüneburg App: Kartenansicht (mehr Informationen zum Download auf der Zeitsprung Lüneburg Website). o. D., zuletzt abgerufen am 20.08.2021.
- ↑ Pfeifer, Edith in Lust auf Lüneburg: Kettenstrafanstalt. o. D., zuletzt abgerufen am 20.08.2021.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Landeszeitung: Eine Herberge für viele Menschen. o. D., zuletzt abgerufen am 20.08.2021.
- ↑ Lüneburger Heide GmbH: Lüneburg: Kalkberg. o. D., zuletzt abgerufen am 20.08.2021.
- ↑ Eggeling, Carlo in Lebenraum Diakonie e. V.: Neues Mauerwerk für Lüneburgs Herberge. o. D., zuletzt abgerufen am 20.08.2021.
- ↑ Neue Arbeit Lüneburg gGmbH: Willkommen bei der Neuen Arbeit!. o. D., zuletzt abgerufen am 20.08.2021.